Nicht nur die Umfragewerte bei forsa, infratest dimap und TNS Emnid versetzen die Grünen derzeit in Feierlaune – ein weiterer Grund für knallende Sektkorken ist der 40. Geburtstag, den die Partei zum Jubiläum des Gründungsdatums am 12. Januar 1980 gefeiert hat. Wachsendem Klima- und Umweltbewusstsein in der Bevölkerung einerseits, dem Niedergang der etablierten Parteien andererseits sei Dank, feiern die Grünen vor allem in der urbanen Mittelschicht große Erfolge. Auch mit dem Führungsduo Annalena Baerbock und Robert Habeck scheint das momentane Alllzeithoch der Beliebtheitswerte zusammenhängen.
Das Kursbuch hat in seiner letztjährigen Ausgabe 197 „Das Grün“ genauer hingeschaut und die gegenwärtige Prominenz des grünen Konzepts in typischer Manier durchleuchtet, war aber nicht das erste Kursbuch, das die Entwicklung der Grünen beäugte: Anfang 80er Jahre, lange bevor die aktuelle Begeisterung am Horizont zu erahnen war, hat Sebastian Cobler in Kursbuch 70 „Macht“, mit „Die Grüne Sache“ eine kritische Untersuchung der damaligen Grünen, ihrer ideologischen Herkunft, ihrer angeblichen Alleinstellungsmerkmale und ihres Parteiprogramms vorgenommen. Cobler zeichnet ein detailliertes Bild der Hessen-Grünen dieser Zeit, diagnostiziert ein ewiges Vertagen des Regierens, unendliche Gremiendiskussionen und innerparteilich höchst umstrittene Verwicklungen mit Libyens langjährigem Diktator Muammar al-Gaddafi: „Die Regierungsdebatte stand nun immer noch nicht auf der Tagesordnung, die Grünen mußten (sic) zunächst einmal mit dem Scheitern ihrer ersten außenpolitischen Gehversuche zu Rande kommen.“ Insbesondere das politische Personal wird von Cobler scharfzüngig, aber auch humorvoll ins Visier genommen. Zu ebenjener Libyen-Exkursion namhafter Grüner: „Ohne Dolmetscher und ohne Vorbereitung hatten sie sich wie politische Globetrottel auf den Weg gemacht und in ihrer kaum zu überbietenden Naivität auch noch erwartet, ‚amnesty international‘ würde ihnen eine Liste von in Libyen Verfolgten anvertrauen.“ Weiterhin spricht Cobler von fehlender Ausdauer und Solidarität, definitorischen Schwachstellen und weist auf realitätsferne Entscheidungsmethoden hin, deren Erfolg er im Falle einer Regierungsbeteiligung, gering einschätzt: „[Es] soll also auch auf Firmen wie Opel oder Siemens übertragen werden, was bekanntlich nicht einmal in linken Tante-Emma-Läden und Werkstätten ohne permanenten Ärger funktioniert“.
Wie die Grünen von damals sich zu den Grünen von heute verhalten? Machen Sie sich selbst ein Bild. Lesen Sie den ganzen Text aus dem Kursbuch 70 in unserem kostenlosen Online-Archiv aller Kursbücher von 1965-1995 nach.