Tim Mälzer, Steffen Henssler, Alfons Schuhbeck, Johann Lafer, Alexander Herrmann, Nelson Müller, Vincent Klink, Karlheinz Hauser – die Liste der sogenannten Fernseh-Starköche ließe sich beliebig verlängern. Sie stehen am Studioherd, entweder zur Prime Time bei den Privaten oder im Nachmittagsprogramm der Öffentlich-Rechtlichen und predigen von der „Ehrlichkeit“ eines Eintopfes, lobpreisen den heimischen Kräutergarten und schwelgen in Erinnerung an „Muttis Pfannkuchen, Omas Kartoffelsalat, Papas Schnitzel“.
Jürgen Dollase, Gourmetkritiker und -journalist, hat sprichwörtlich die Schnauze voll von so viel Koch-Populismus. Denn die Parallelen zu den Mechanismen und Strategien populistischer Parteien sind verblüffend: Eine assoziativ unbelastete Notwendigkeit wie diejenige der täglichen Nahrungszufuhr wird so lange mit kindlichen Geborgenheitsphantasien und Erinnerungen an eine unbeschwerte Zeit aufgeladen, bis das Konzept dessen herauskommt, was die TV-Köche als „Heimatküche“ propagieren, aber faktisch eine kulinarische Chimäre bleibt. Oder hat jemand, der in Franken aufgewachsen ist, keine Heimat, nur weil er sich an Spaghetti Bolognese erinnert und nicht an Nürnberger Rostbratwürstel? Dollase plädiert dafür, der Küche keine assoziativen Bürden mehr anzulasten, die ihr nicht gerecht werden. Stattdessen sollten wir unsere, regional unterschiedlich ausgeprägte, Küche ernst nehmen und ihr auf Augenhöhe begegnen – in der Jetztzeit! Was sind die Bestandteile einer klassischen Schweinshaxe mit Kraut? Oder von Labskaus? Woher kommt das Schwein, woher das Kraut? Woher die Rote Bete und der Fisch? Und woran liegt es, dass die feine Sterneküche offenbar kein Interesse daran hat, solche Gerichte weiterzuentwickeln und zu perfektionieren?
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