Armin Nassehi und Claire Demesmay an der Bucerius Law School

Schon Monate vor dem Gang zur Urne wurde die neunte Wahl zum Europäischen Parlament zur Schicksalswahl erklärt. Während Reformkräfte die vielfältigen Vorteile der EU in den Mittelpunkt ihrer Wahlkämpfe stellten, war die bloße Existenz dieser Organisation ein Dorn in vielen (rechts-)populistischen Augen. Nach dem Wahlakt traten traditionell programmatische, personelle und institutionelle Themen an die Stelle von euphoriegetriebener oder EU-skeptischer Wahlkampfrhetorik. Über genau diese Spannungen sowie über die prägenden Themen für die kommende EU- Legislaturperiode diskutierten am 26. Juni unser Herausgeber Armin Nassehi und die Politikwissenschaftlerin Clarie Demesmay (DGAP) gemeinsam mit Britta Sandberg (Der Spiegel) in der Bucerius Law School.

 

 

Rund um Nassehis These, dass es die politischen Parteien im Vorfeld der Wahl versäumt hätten, sich entlang klarer und distinkter Konfliktlinien voneinander abzugrenzen, begaben sich Nassehi und Demesmay auf die Suche nach Gründen für diese Entwicklung. Während Demesmay anmerkte, dass der enge Fokus auf das Spitzenkandidatenprinzip ein Versuch sei, nationale politische Logiken auf die europäische Ebene zu übertragen, merkte Nassehi an, dass das Fehlen einer übergreifend europäischen politischen Identität schlussendlich auch eine Folge von Repräsentationslücken in den nationalen Gesellschaften sei, wo Konfliktlinien zunehmend verschwimmen. Neben Debatten über den Sinn und Zweck des Spitzenkandidatenprinzips, Fragen nach dem Erfolg der Grünen oder dem Umgang mit Rechtspopulisten stand am Ende vor allem ein Appell für die Akzentuierung von Gemeinsamkeiten. Angesprochen auf Inszenierungen im deutsch-französischen Verhältnis machte sich Claire Demesmay dementsprechend dafür stark, die verbindende und friedensstiftende Wirkung der Demonstration von Einigkeit für die europäische Demokratie nutzbar zu machen – trotz, oder gerade auch wegen inhaltlicher Konflikte.