Beschreibung
Keine Frage: Die Gesellschaftskritik ist derzeit nicht gerade in Topform. Die Gemüter sind müde, steif und unbeweglich. Die großen kritischen Gesten wirken verbraucht – vielleicht sind es sogar nur noch Posen, die Kritik simulieren: Warum wirkt zum Beispiel die gute alte Kapitalismuskritik heute so verzagt und ratlos? Wo ist der revolutionäre Elan? Wieso sind bei aktuellen politischen Diskussionen die Beteiligten gleichzeitig so aggressiv und so empfindlich, egal ob es um Feminismus oder Rechtsradikalismus geht? Und warum scheinen sich gerade alle in Untergangsszenarien zu verlieben? Könnte es sein, dass wir Kritik ganz neu einüben, ganz neu ausüben müssen?
Die gute Nachricht ist: Kritik ist ein Muskel, der trainiert werden kann und »Kritik üben. Ein Manual: für alle → vom Einsteiger bis zum Profi« ist das passende Work-out dazu! In acht Kapitel beziehungsweise Übungseinheiten sollen die Leser grundsätzlich über Kritik nachdenken. Dabei helfen Interviews mit »Kritiktrainern«, wie etwa der Philosophin Rahel Jaeggi, dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert oder der Feministin Meredith Haaf. Darüber hinaus versammelt »Kritik üben« einschlägige Texte zur Gesellschaftskritik – von Immanuel Kant über Karl Marx bis Jürgen Habermas. Übungsziele sind etwa, die Lust am Streit wiederzuentdecken, dem herrschenden Pessimismus zu widerstehen und zu Maßstäben der Kritik zu kommen. Gut möglich, dass der Leser dabei auch einmal vor den Kopf gestoßen wird. Wenn es etwa darum geht, dass linke und linksradikale Gesellschaftskritiker die Probleme unserer Zeit verharmlosen. Oder dass wir für gute Kritik nicht mehr Moral brauchen, sondern weniger.
Das Buch begleitet die Ausstellung »Übungsraum für Kritik«, die vom 27. September bis zum 06. Oktober 2018 auf Kampnagel in Hamburg präsentiert wurde. Es kann aber auch ganz unabhängig von der Ausstellung gelesen werden. Im Herbst der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 50. Geburtstag von 1968 geht es nicht darum, einen nostalgischen Blick auf die großen Zeiten der Gesellschaftskritik zu werfen. Sondern nach vorn zu blicken. Oder wie die Herausgeber Friedrich von Borries und Jakob Schrenk schreiben: »Der Hintergrund des Projektes ist unsere feste Überzeugung, dass Kritik an der Gesellschaft auf viel originellere, klügere, bessere und womöglich auch effektivere Art und Weise möglich ist, als sie derzeit allgemein praktiziert wird. Und genau diese Fähigkeit lässt sich trainieren.«