Zwei Erfolgsmeldungen hatte die NASA in der vergangenen Woche zu verkünden: Am Mittwoch hatte sie die Kapsel mit Material des erdnahen Asteroiden Bennu geöffnet, die die Mission Osiris-Rex am 24. September auf der Erde abgeworfen hatte. Darin war mit rund 250 Gramm Staub und Steinen deutlich mehr Masse vorhanden, als ursprünglich erhofft. Und am Freitag wurde die Mission Psyche gestartet, die den gleichnamigen metallreichen Asteroiden untersuchen soll, geplante Ankunft 2029. Aus astrophysikalischer Sicht wird beides uns zu einem besseren Verständnis der Entstehung des Sonnensystems verhelfen. Denn da das Material von kohlenstoffhaltigen Asteroiden wie Bennu seit ihrer Entstehung vor rund 4,6 Milliarden Jahren praktisch unverändert geblieben ist, liefert es uns einen direkten Blick in unsere chemische Vergangenheit. Der Asteroid Psyche wiederum ist ein besonderer Exot: Er besteht zu bis zu 90 Prozent aus Metall, Eisen und vor allem Nickel, und ist vermutlich der Kern eines Kleinplaneten, der im Laufe seiner Entwicklung seinen Silikatmantel verloren hat. Eine Analyse seiner genauen Beschaffenheit wird daher wichtige Informationen für Modelle der Planetenentstehung liefern.
Es gibt aber auch eine ökonomische Sicht auf beides, denn beide Aktivitäten liefern Informationen für das futuristische Feld des Asteroid Minings, des Asteroiden-Rohstoffabbaus. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Transport der Butterstück-großen Probe von Bennu mehr als eine Milliarde Dollar gekostet hat, mag es zwar wenig aussichtsreich erscheinen, Rohstoffe von Asteroiden wirtschaftlich lohnend zur Erde zu holen. Die 2017 angestellte Rechnung, dass die bis zu 280 Kilometer große Psyche einen Rohstoffwert von zehn Trillionen Dollar hat, mag zumindest für Technologieoptimisten solchen Zweifel aber schnell zerstreuen.
Denn ohnehin ist es ein vermeintlich beruhigendes Narrativ, dass wir uns angesichts zunehmender Rohstoffknappheit mittelfristig nicht auf eine Ressourcen schonende Kreislaufwirtschaft umstellen müssen, sondern mit dem Abbau einfach so weitermachen wie bisher – nur eben im Sonnensystem. 2012 gab es dazu eine große Machbarkeitsstudie der NASA zusammen mit privaten und akademischen Partnern für das Keck Institute for Space Studies (KISS) am California Institute of Technology in Pasadena. Der dort ausgearbeitete Plan sah vor, einen rund sieben Meter großen erdnahen, rund 500 Tonnen schweren Asteroiden mit einem robotischen Raumfahrzeug einzufangen und in eine hohe Mondumlaufbahn zu bringen. Dort könnte er dann mit astronautischen Missionen von einer cislunaren Mond-Raumstation aus abgebaut werden.
Der Report hielt das bereits 2025 für möglich. Voraussetzungen: erstens die Entwicklung der notwendigen Technologie, um geeignete Asteroiden auszuwählen, zweitens die Entwicklung eines entsprechend starken solargetriebenen Antriebs für das Transportgefährt und drittens menschliche Präsenz im cislunaren Raum zwischen Mond und Erde – letzteres ein Ziel, das die großen Raumfahrtorganisationen damals bereits angekündigt hatten und an dem sie derzeit tatsächlich arbeiten. Die Kosten für dieses Unterfangen wurden damals auf 2,6 Milliarden Dollar geschätzt.
2012 gab es zwei amerikanische Start-Ups, die das in Angriff nehmen wollten: Planetary Resources in Seattle und Deep Space Industries (DSI) in San José. 2015 wurden für dieses Geschäft auch die rechtlichen Grundlagen geschaffen. In den USA wurde im Commercial Space Launch Competitiveness Act festgelegt, dass amerikanische Bürger und Unternehmen Weltraumressourcen ökonomisch nutzen dürfen. Nur das Souveränitätsrecht blieb ihnen weiterhin vorbehalten, so wie im Weltraumvertrag 1967 festgelegt. In Europa gibt es ein entsprechendes Gesetz etwa in Luxemburg. Obwohl beide Firmen recht schnell einiges Geld zusammentreiben konnten, Planetary Resources hatte bis 2016 50 Millionen Dollar eingesammelt, DSI immerhin 3,5 Millionen, war der Hype einige Jahre später vorerst wieder vorbei. Die Firmen wurden 2018 und 2019 von anderen Unternehmen mit anderen Zielen übernommen.
Mittlerweile haben sich allerdings bereits zahlreiche neue Unternehmen mit diesem Ziel gefunden. Das kalifornische Start-Up AstroForge hat beispielsweise im vergangenen Jahr angekündigt, das erste Unternehmen für Asteroid Mining sein zu wollen, und zwar mit einem Fokus auf Platinmetallen. Wie auch beim Geoengineering, das in meinem letzten Montagsblock Thema war, gibt es auch hier wieder ein scheinbar menschenfreundliches Argument der Technologieanhänger: Wenn seltene Rohstoffe im All abgebaut werden, würden die menschenfeindlichen und oft inhumanen Abbaubedingungen in irdischen und oft in Entwicklungsländern lokalisierten Minen unterwandert werden. Allerdings weisen Ökonomen schon seit einigen Jahren darauf hin, dass Asteroidenabbau insgesamt massive Folgen für die Weltwirtschaft hätte: Aller Voraussicht nach würde der Rohstoffmarkt bei einem Überangebot schnell zusammenbrechen. Gold etwa würde massiv an Wert verlieren.
Eine 2018 veröffentlichte Simulationsstudie von Wissenschaftlern der Tel Aviv University zeigt, dass von solch einer Krise insbesondere die wirtschaftsschwachen Länder des globalen Südens betroffen wären, die sich derzeit zu einem großen Teil über ihre Rohstoffe finanzieren. Gleichzeitig wären diese Länder sehr wahrscheinlich nicht an Projekten des Asteroidenbergbaus beteiligt. Die Alternative für ausgebeutete Minenarbeiter wäre in diesem Szenario Arbeitslosigkeit in großer Armut — es sei denn, diese Länder könnten doch irgendwie an diesem neuen Wirtschaftszweig beteiligt werden. Da das nicht einfach zu realisieren ist, schlagen die israelischen Wissenschaftler alternativ vor, dass reiche Wirtschaftsnationen dazu verpflichtet werden könnten, Kompensationszahlungen an weniger reiche Länder zu zahlen. Ein anderer Weg wäre, den Abbau von Asteroiden-Rohstoffen zu regulieren, um die Preise stabil zu halten. Aber wer sollte solche global geltenden Regeln überwachen, wenn es derzeit schon nicht gelingt, einen an die heutige Zeit angepassten Weltraumvertrag international zum Abschluss zu bringen? Man kann sich damit zu trösten versuchen, dass Raumfahrtprojekte sich fast immer durch massive zeitliche Verzögerungen auszeichnen — und dass die Rückholung von 250 Gramm kohlenstoffhaltigen Materials vom Asteroiden Bennu offensichtlich alles andere als einfach und preiswert war.
Sibylle Anderl, Montagsblock /243
16. Oktober 2023
Keck Report: https://kiss.caltech.edu/final_reports/Asteroid_final_report.pdf
Studie der Folgen des Asteroid Minings: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0094576516311584