Beschreibung
Die Unterscheidung zwischen Ausnahmezustand und Normalität wird immer schwieriger. Oder sagen wir, ist kaum mehr möglich. Ist die COVID-Pandemie noch Ausnahmezustand oder schon längst Normalität? Grenzen verschwimmen. Wahrnehmung zerfasert. Alles könnte auch anders sein. In diesem Kursbuch geht es um das Verhältnis von Normalität und ihrem Gegenüber, über das Verhältnis von Ausnahmezustand und Normalität, um den Ausnahmezustand Normalität. Gemeinsam ist allen Beiträgen, dass sie sich nicht auf das Spiel einlassen, den Ausnahmezustand durch eine wie auch immer geartete Normalität heilen zu wollen. Horst Bredekamp etwa pocht auf den Ausnahmezustand, den das ästhetische Erleben hervorbringen kann, Carolin Müller-Spitzer macht deutlich, dass die Herstellung sprachlicher Normalzustände eine Machtfrage ist, Leonhard Schilbach zeigt am Beispiel des Autismus, wie kontingent Vorstellungen sozialer Normalität sind, Sibylle Anderl macht auf den revisionsfähigen Status aller normalwissenschaftlichen Selbstverständlichkeiten aufmerksam. Und Levi Israel Ufferfilge beschreibt an jüdischen Schulen einen drastischen Fall eines Ausnahmezustands Normalität als Insel in permanentem Anderssein. Die sieben Intermezzi beantworten schließlich die Frage: »Wann wurde für Sie aus einem Ausnahmezustand Normalität?« Antworten von Gerhard Roth bis Ethel Matala de Mazza.
Ausgewählte Zitate:
»Es geht weniger darum, wie jemand etwas sagt, sondern darum, was er sagt. Der fehlende Sinn für das Normale könnte Autismus zu einem Korrektiv für Diskussionen werden lassen, die abseits von Inhalten vor allem auf soziale Befindlichkeiten achten, dabei aber in ihrer Selektion der relevanten Gruppen Ungleichheit und Ungerechtigkeit zementieren.« Leonhard Schilbach
»Das war die Idee. Für ein Jahr auf eine Insel mitten in Berlin gehen, diese für die kommenden zwölf Monate nicht mehr verlassen und keinerlei Informationen über die Welt außerhalb meines Ortes bekommen.« Stephanie Bothor
»Wer spricht über wen mit welchen sprachlichen Mitteln und wer entscheidet, welche Sprachformen in welchen Kontexten akzeptiert werden, dies sind Machtfragen, die alle sprachpolitischen Auseinandersetzungen begleitet haben.« Carolin Müller-Spitzer
»Ein einfaches Kriterium dafür, dass man es nicht mit einem Normalwissenschaftler im ›zu bemitleidenden Sinne‹ zu tun hat, gibt es aber immerhin: die Bereitschaft, im Angesicht neuer Evidenz die eigenen Überzeugungen zu revidieren.« Sibylle Anderl
ISBN: 978-3-96196-246-4, 144 Seiten, 16€
Alle Beiträge sind auch als e-Singles im ePub oder im Kindle-Format erhältlich.