MONTAGSBLOCK /8

“Champions are made from something
they have deep inside them, a desire, a dream, a vision.
They have to have last-minute stamina,
they have to be a little faster,
they have to have the skill and the will.
But the will must be stronger than the skill.”
Muhammad Ali

Blick zurück in meine Kindheit: Als Cassius Clay hat er angefangen. Und um drei Uhr morgens sind wir mit den Eltern aufgestanden und haben seine Boxkämpfe im Fernsehen angeschaut. In der Dunkelheit der Nacht gingen rundherum die Wohnzimmerlichter an. Wir waren nie allein. Muhammad Ali zog die ganze Welt in seinen Bann. Ohne Facebook, Twitter und Google stand man auf der Matte, wenn das Großmaul in den Ring stieg. Jetzt ist er tot. Viele werden sich am Wochenende an ihn erinnert haben.

„Der Wille muss stärker sein als das Können.“ Ja, mit diesem Satz hätte er auch als Motivationsguru in die Geschichte eingehen können. In diesem Zusammenhang scheint mir auch der Zusammenhang zwischen Talent und Können sehr relevant. Gerade habe ich mit Holger Geschwindner, dem großen Basketball-Altmeister und Mentor von Dirk Nowitzki, ein Interview für die neue enorm geführt. Angesprochen auf das Talent, das wir in jedem Spitzensportler per se vermuten und das ihn in höchste Leistungshöhen führt, antwortete er: „Jeder junge, ambitionierte Sportler sollte sein Talent als Aufgabe begreifen. Er hat erstens die Pflicht, das Besondere und Einmalige seiner Begabungen aufzudecken. Er muss zweitens lernen, sie anzunehmen und zu entwickeln. Dadurch lernt man, das Ausmaß seiner Talente zu akzeptieren. Man kann dabei auch noch Demut lernen. Wer viele Talente hat, braucht nicht gleich auszuflippen. Wer weniger Talent zur Verfügung hat, muss nicht gleich enttäuscht sein. Beide können ihren Fähigkeiten entsprechend erfolgreich sein. Jeder auf seinem Niveau. Erfolg ist immer relativ zum Talent.”

Es geht um den Willen, sein jeweiliges Können zu erarbeiten. Um die Motivation, sein Talent zu ertragen.
Das gilt insbesondere auch für die Motivation im Job. Wer ist im Arbeitsleben richtig motiviert und erfolgshungrig? Und wie können Führungskräfte ihre Mitarbeiter motivieren? Forscher sagen, dass es erstens auf das Miteinander ankäme. Und zweitens, in freier Ali-Übersetzung, darauf, seinen Willen über das Können zu stellen. Kein Zweifel: Jeder ist motiviert. Aber man kann es nur zusammen mit dem Trainer oder seinen Kollegen entdecken. Der Weg führt über die Wahrnehmung des anderen, nicht über den Cäsarismus der Selbstüberhöhung. Es ist übrigens Jean Piaget, ein berühmter Kinderpsychologe, der erstmals die Idee der Dezentrierung beschrieben hatte, sprich: das Phänomen, wenn Kinder außer sich selbst zum ersten Mal einen anderen, ein Gegenüber, wahrnehmen und damit ihre selbstzentrierte Wahrnehmung aufgeben.

Genau das sollte man öfter Führungskräften in Unternehmen empfehlen, die ihren Mitarbeitern gelegentlich ahnungslos wie der Ochs vorm Berg und unvergleichlich wie Cäsar gegenübersitzen. Motivation, im Sinne der großen Sportler, bedeutet: auf das Gegenüber einzugehen und dafür seinen Feldherrnhügel zu verlassen. Erst dann wird „Chef“ merken, wie motiviert der andere ist. Wie gesagt: Am Ende entscheidet der Wille, nicht das Können. Und die Demut vor dem Ausmaß des eigenen Talents.
Wir trauern um Muhammad Ali. Er war der Größte.

Peter Felixberger
MONTAGSBLOCK /8, 06. Juni 2016