MONTAGSBLOCK /46

Nicht wenige sagen, wir würden in Zeiten der ewigen Wiederholung des laufenden Schwachsinns leben. Klingt vorlaut, meint aber nur, dass jeder Mensch fortgesetzt all das behaupten darf, was andere argumentativ bisher wenig bis nie durchdrungen haben. Ein beredtes Beispiel ist die Steuer als staatliche Okkupationslogik. Das Argument von Trump bis Lindner: Alles, was ökonomisch passiert, wird willkürlich heftig mit einer Prämie belegt. Der Staat nimmt sich zu viel von dem, was Bürger und Unternehmer erwirtschaften. In der drastischen Steigerungsformel: Der Staat plündert und beraubt seine Untertanen. In diesem semantischen Dunstkreis entstanden nicht nur steuerberatende Berufe, bei denen Honorare bis heute mit effizienter und bisweilen fantasievoller Steuerminimierung verknüpft werden. Sondern auch Politikertypen, die im Weniger von Steuern den Quell künftigen Wohlstands, Glücks und Reichtums sehen. Das Argument: Wie von einer Zwangsjacke befreit, darf die Wirtschaft endlich kreativ explodieren, investieren, schöpferisch zerstören und das Neue aufbauen. Ein Spiel ohne Grenzen? Trumpibaby lässt grüßen!

Begründungstheoretisch gibt es darauf drei Reaktionen, was die Freiheitsgrade betrifft. Erstens: Der Einzelne gibt etwas aus seinem Einkommen und seiner Kaufkraft ab, dafür erhält er öffentliche Güter und Sicherheit. Man bezahlt also seine Freiheit, öffentliche Güter und Sicherheit in Anspruch zu nehmen, mit der Unfreiheit des gelenkten Steuerbürgers. Aber auch mit der Erkenntnis, in einem gut funktionierenden und politisch stabilen Kooperationssystem zu leben. Zweitens: Da die Hochtalentierten vom gesellschaftlichen Fortschritt stärker als die Schwächergestellten profitieren, müssen sie mehr Steuern bezahlen. Dahinter steht der Gedanke, dass der talentierte, begabte und fähige Bürger mit günstigen sozialen Startbedingungen auch mehr Benutzungsgebühr zahlen muss als andere. Das nennt man Progression. Die Unfreiheit verschwindet nicht. Und drittens: Mag ja alles stimmen, aber dem gesamten Steuerrecht bedarf es versöhnungsrelevant an beiderseitiger Angemessenheit, Maß und Grenze. Das Motto lautet weder zu viel noch zu wenig. Sich nicht durchzusetzen wollen, sondern eine Steuerordnung entwickeln, die alle als gerecht empfinden können. In dieser Welt der beiderseitigen Freiheit gilt der Respekt voreinander.

Wie aber funktioniert beiderseitige Freiheit? Bei mir zum Beispiel als biografische Win-win-Lebenslinie. Ich bekenne, dass ich ein Anhänger der Variante 3 bin: Ich zahle gerne Steuern, weil ich bisher immer das Gefühl hatte, mich frei und unabhängig entwickeln zu können. Meine Selbstentfaltungslinie wurde flankiert von verheißungsvollen Bildungschancen und abenteuerlustigen Karrierepfaden. Dahinter stand eine Architektur aus stabilen Gütern und Dienstleistungen für mich und meine Familie bereit. Ich weiß das zu schätzen, denn ich fühle mich weder als Opfer eines legalen Raubs noch als ein staatlich gelenktes, in Unfreiheit lebendes Bürgerschaf. Ach ja: Mein Enkelkind ist gerade zu Besuch bei uns. Für sie und ihre kommende Win-win-Lebenslinie zahle ich auch gerne Steuern.

Peter Felixberger

MONTAGSBLOCK /46, 04. Dezember 2017