Montagsblock /315

Die Eitelkeit im gefallsüchtigen Social Media-Zeitalter hat längst ungeahnte Höhen erreicht. Pop regiert und redigiert jede digitale Selbstdarstellung. Jeder kann jetzt eine Pose einnehmen. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit hat dafür große Parabolspiegel der Selbstermächtigung erzeugt. LinkedIn ist der auffälligste in meiner Branche. In diesem, man könnte auch sagen, Posenverteilungszentrum herrscht großer Andrang. Ständig werden die Posen von Neuankömmlingen und Arrivierten poliert, aufgefrischt und hochgejazzt. Interaktion und Assoziation vervielfältigen sich. Remix und Refill von Hysterien sind unbegrenzt. Über Follower wird in unbekannte Welten gepostet, ohne dass je ein Arzt kommt. Pop me up! Pep me auf! Good looking und Selfie-Lava. Gefallsucht-Bingo. Toktik, Bookface und Grammainsta.

Alles Predigen dagegen bleibt vergebens und prallt ab. Aus gutem Grund: Wir halten es nicht aus, keine Rolle in der Wahrnehmung der anderen zu spielen. Im Mittelpunkt steht die Attraktivität der eigenen Person. Noch nie standen diesem Geltungsdrang so schillernde Karrierepfade offen. Und noch nie lockten so breite Wege ein größeres Publikum in narzisstische Spiegelbilder. Letzten Freitag erschien mein neues Buch „BEEP. BEEP. Read all about it. Bücher, die aus der Zukunft kommen”. Für knapp 48 Stunden stieg auch mein kleiner Kurswert an Prominenz etwas an. So weit, dass ich mich für einen Moment als womöglich Viertelpromi wähnte. Die Macht der Eitelkeit und die Gier nach Publizität hatten mich am Wochenende im Klammergriff.

Und so habe ich mich heute morgen an einen alten Satz des Philosophen Georg Franck erinnert: „Kompetent ist nur, wer Anerkennung seitens derer findet, die ihrerseits für kompetent gelten.“ Was eine weitere Sichtachse auf Social Media bietet. Man möchte nicht als trivial gelten, um nicht in den Verdacht des Massentauglichen zu geraten. Und man möchte nicht als massentauglich gelten, um der Trivialisierung aus dem Weg zu gehen. Korrespondierend geht es letztlich – Sie bemerken sicher meinen kleinen Selbstbefreiungsversuch – darum, nicht zu viel zu verkaufen, um die intellektuelle Anziehungskraft bei den Kompetenten zu wahren.

Schon mal vorbeugen, wenn die Verkaufszahlen breit nicht steigen wollen? Pusteblume! Denn gleichzeitig suchen wir entspannte Zufriedenheit in der breit rezipierten Anerkennung. Etwas links, etwas rechts, Schuss! Denn das große Publikum spendet Aufmerksamkeit, wenn es geboten bekommt, was es hören und sehen will. Das große Mantra in Buchverlagen lautet: Leserorientierung um jeden Preis. Ein erfolgreicher Buchautor muss die geheimen Herzenswünsche seines Publikums erraten. Nur so entfacht er eine Lust am Angehimmeltwerden. Wie man diese sehnsüchtigen Blicke auf sich zieht, ist das neue Geschäftsmodell populärer Posen. Man lernt, wie man es macht, zu glänzen.

Vermaledeit! Es ist offenbar wie im Bierzelt. Wenn alle bereits laut reden, muss man selbst auch brüllen, um gehört zu werden. Es kann nur noch mitreden, wer gegen das Getöse ankommt. In dieser Umgebung wird man nicht mehr in Ruhe gelassen. Oder wie Franck schreibt: „Der Hauptstrom ist das immer Neue, immer noch Aufregendere, immer noch näher am Rand zur Nerverei Tanzende.“

Heute, am Montag, ist mein kleiner, nerviger Social Media-Hype wieder abgeklungen. Es ist, als ob nichts gewesen wäre. Trotzdem habe ich mich aufrichtig über die Wertschätzung vieler Autor*innen und Kolleg*innen gefreut. Eines ist mir klar geworden: Sich selbst zu achten und den eigenen Widersprüchen um Eitelkeit und Selbstachtung nicht aus dem Weg zu gehen, sind zu beachten. Auch wenn die Eitelkeit den Selbstwert immer austricksen und verführen will. Und so lautet der letzte Satz im BEEP-Buch nicht umsonst: „An alle Selbstsucher, Spiegelgaffer, Egobewunderer: Entdeckt endlich euere Falten im Gesicht!“

Peter Felixberger, Montagsblock /315

17. März 2025