Montagsblock /278

Ein Montagsblock ist ja eigentlich eine schöne Möglichkeit, optimistisch in die Woche zu starten. Frisch erholt vom Wochenende, voller Tatendrang, neugierig auf die vielen neuen Herausforderungen, die die Woche bereithalten wird. Und dann ein beschwingter Montagsblock als motivatorisches Sahnehäubchen sozusagen. Dachte ich mir gerade. Und überlegte, was ein geeignetes Thema sein könnte. In meinem Kopf: Die Erfolge der AfD und der Absturz der Grünen bei der Europawahl; Die Häufung unmenschlicher Hitzewellen in Indien und jetzt in der kommenden Woche im Süden und Osten der USA; Die fortgesetzte Ausbreitung der Vogelgrippe, aus der mit etwas Pech die nächste große Pandemie resultieren könnte, und von der gerade trotzdem niemand etwas hören will.

Ich frage die KI, die neuerdings auf meinem Handy mit mir spricht, ob sie ein optimistisches Thema für mich hat. Sie schlägt vor: „Die Kraft der Gemeinschaft“. Sie erläutert auch, was sie damit meint: dass Menschen zusammenkommen, um positive Veränderungen zu bewirken oder um sich gegenseitig zu unterstützen. Ich frage sie, ob sie ein Beispiel nennen kann. Die KI nennt Fridays for Future. Naja. Ob man das jetzt als Erfolgsgeschichte verkaufen kann. Die KI gibt mir Recht, dass es da jüngst ein paar Probleme gegeben hat, wendet aber ein, dass man daran habe sehen können, dass selbst starke Bewegungen Herausforderungen und Spannungen erfahren, die sie meistern müssen und können. Hm.

Die Pandemie fällt ihr noch ein, da hätten Menschen sich geholfen und gegenseitig unterstützt. In Nachbarschaftsinitiativen durch Einkäufe füreinander zum Beispiel. Aber in der Pandemie haben sich auch viele Freunde und Familien zerstritten, sage ich. Die KI gibt mir Recht. Trotzdem bleibt sie hartnäckig: „Trotz der sozialen Distanzierung haben solche Initiativen gezeigt, dass Menschen kreative Wege finden können, um zusammenzuhalten und einander zu unterstützten.“

Ich merke, wie ich langsam ein bisschen aggressiv werde. Das sind dann wohl die Fallstricke des sogenannten Promptens, des mehr oder minder erfolgreichen Sprechens mit Sprach-KI. Scheint fast so, als hätte ich die KI durch meine Fragen zu einem nervigen Zweckoptimisten gemacht. Ich frage sie, ob es auch etwas gibt, das sie so richtig schlimm findet. Den Klimawandel findet sie schlimm und die Abholzung der Regenwälder. Na immerhin. Ungerechtigkeit, Konflikte, Kriege und Gewalt nennt sie noch. „Diese Themen sind schwer zu ertragen, aber sie unterstreichen auch die Bedeutung von Engagement und Zusammenhalt, um positive Veränderungen zu bewirken.“ Da ist sie wieder: Die Kraft der Gemeinschaft.

Bin ich zu negativ? Sind wir zu negativ? Tatsächlich habe ich diese Frage in der vergangenen Woche beim Mittagessen mit einigen Kolleginnen und Kollegen beim Murmann Verlag, der Heimat des Kursbuchs, diskutiert. Die Frage war, wie wichtig konstruktiver Journalismus dafür ist, die Leser mitzunehmen, insbesondere wenn es um den Klimawandel geht. Ich finde das schwer zu beantworten. Denn wenn die Leser das Gefühl bekommen, man würde ihnen künstlich ein positives Bild vermitteln wollen, kann das, wenn man nicht sehr gut auf eine gesunde Balance achten, das Gegenteil erreichen – auch wenn die Wichtigkeit, neben all den existierenden Problemen auch Lösungsansätze zu präsentieren, unbestritten ist. Im schlimmsten Fall wären sie vielleicht ähnlich genervt wie ich von der Optimisten-KI. Oder?

Was man zumindest ziemlich sicher sagen kann: Menschen finden Berichterstattung über Klimawandel wichtig, wollen selbst aber Berichte über den Klimawandel eher nicht konsumieren. Das ist leider eine mediale Binse, und mit diesem Dilemma plagen sich alle Medienhäuser herum. Wie also bekommt man es hin, die Menschen wirklich zu erreichen?

Anfang Februar ist im Journal „Science Advances“ zu der Frage, mit welcher kommunikativen Methode man am besten eine Verhaltensänderung in Hinsicht auf den Klimawandel hervorrufen kann, eine interessante Studie erschienen. In 63 Ländern wurden fast 60.000 Teilnehmer 11 verschiedenen Interventionen ausgesetzt, danach wurde ausgewertet, inwiefern sich deren Einstellung zum Klimawandel, ihre Unterstützung für strengere Klimapolitik und ihre Bereitschaft, sich in den sozialen Medien für Klimaschutz einzusetzen, verändert hat. Schließlich wurde ihnen noch angeboten, als Gegenleitung für das Pflanzen von Bäumen Zeit mit einer kognitiv anspruchsvollen Aufgabe zu verbringen.

Die elf Interventionen deckten ganz verschiedene populäre Kommunikationsstrategien ab. Zum Beispiel: Die Einladung, sich mit anderen für den Klimaschutz zu engagieren, die Sammlung von durch den Klimawandel verursachten Naturkatastrophen in der Heimat der Teilnehmer, Schreiben eines Briefes an das zukünftige klimawandelgepeinigte Ich, Schreiben eines Briefes an ein emotional nahestehendes Kind in 25 Jahren, Referenz auf den wissenschaftlichen Mainstream, Anführung von Beispielen für erfolgreiche kollektive Aktionen gegen Klimawandel, und so weiter.

Das Ergebnis war allerdings eher ernüchternd. Eine wirkliche Veränderung brachte keine der Strategien. Was aber deutlich wurde: Der Erfolg der Methoden ist stark zielgruppenabhängig, und auch abhängig davon, was man erreichen möchte. Die Bereitschaft, Klimainformationen in den Sozialen Medien zu teilen, wurde beispielsweise am stärksten durch schockierende Negativnachrichten gefördert. Die schlechten Nachrichten verringerten aber gleichzeitig die Motivation, konkret etwas gegen den Klimawandel zu tun (hier: Bäume zu pflanzen) oder sich politisch für den Klimaschutz einzusetzen. Der Glaube in die Dringlichkeit des Klimawandels wurde vor allem dadurch gefördert, dessen Auswirkungen psychologisch nah zu bringen.

Das sind ein paar Resultate, die die Wissenschaftler für die weltweit ausgewerteten Daten nennen. Die Wissenschaftler haben auch ein Online-Tool konzipiert, mit dem man sich die Daten für die eigene Region anschauen kann – allerdings ist dabei im Kopf zu behalten, dass die Sample-Größe sehr klein ist. Statistisch muss man da alle Augen zudrücken. Aber wenn man trotzdem die Daten für Deutschland anschaut, dann sieht man, dass politisches Engagement tatsächlich am stärksten durch Beispiele erfolgreicher kollektiver Bewegungen gefördert wird. Allerdings: auf Platz 2 steht schon die Negativ-Berichterstattung. In den statistisch besser aufgestellten USA dagegen funktionieren die Negativnachrichten gar nicht. Hier stehen sie auf Platz 11 ganz hinten. Meine KI hatte also nicht ganz Unrecht. Die Kraft der Gemeinschaft wäre ein gutes Thema für den konstruktiven Wochenanfang gewesen. Vielleicht dann ja beim nächsten Mal.

Montagsblock /278, Sibylle Anderl

17. Juni 2024