Die dunkelsten Tage im Jahr erscheinen diesmal noch ein wenig dunkler. Es regnet und wütet draußen ohne Unterlass, und es erscheint fast so, als wolle das Wetter es noch fördern, dass man das Jahresende zu innerer Reflexion und Besinnung nutzt. So wie im Schlaf die REM-Phasen angeblich dazu dienen, das neu Erlernte mit bestehendem Wissen zu verknüpfen, haben die zeitlosen Tage am Ende des Jahres vielleicht einen ganz ähnlichen Zweck. In diesem Jahr mag das besonders wichtig sein. Wer gehofft hatte, nach der Pandemie würde alles besser, ist enttäuscht worden von all den fortgesetzten und neu erschienenen Krisen, die in einen verbreiteten Zustand der postpandemischen Ermüdung hineingewirkt haben.
Dass wir derzeit so pessimistisch in die Zukunft sehen, mag dennoch erstaunlich sein, wenn man sich vor Augen führt, wie gut es uns dabei letztendlich doch noch geht. Mein Vater stellte heute fest, dass selbst meine Großeltern nach ihrer Vertreibung aus Böhmen erwartungsfroh in die Zukunft blickten, man habe ja gewusst, dass alles wieder besser werden würde. Heute dagegen, im Angesicht der Klimaveränderungen und ihrer globalen Folgen könne solcher Optimismus wohl ausgeschlossen werden.
Wer sich solch einem naheliegenden Globalpessimismus hingibt, unterschätzt vermutlich (und hoffentlich) die menschliche Fähigkeit, adaptive Strategien zu entwickeln, und das aktuelle Kursbuch “Passt Euch an!” mag daher gerade in diesen Tagen eine anregende Lektüre sein. Was darin deutlich wird: Entscheidend ist, nicht den Glauben an die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten zu verlieren, Anpassung nicht als etwas Passives sondern als höchst aktiven Prozess zu begreifen. Oder angelehnt an die Worte meines Mitherausgebers Armin Nassehi: Die Aufgabe ist, Hinsichten und Blickwinkel unterscheiden zu können, unter denen Herausforderungen als bearbeitbare Probleme erscheinen. Es gilt, reflexiv Bedingungen aufzudecken, unter denen Akteure und Systeme ihre Routinen ändern können.
Das wirklich Schwierige ist natürlich, herauszufinden, wie das ganz konkret umzusetzen ist. Wie wir damit den zum Handeln und Gestalten nötigen Optimismus zurück bekommen. Es gibt also einiges zu tun im neuen Jahr. Und deshalb sollte man jetzt die Feiertage noch einmal nutzen, sich die dafür nützliche ausgeruhte seelische Balance anzueignen. Nicht zu viel mit elektronischen Geräten hantieren, sich Zeit für Musik nehmen, vielleicht auch ein bisschen in den neuen Bildern des James-Webb-Weltraumteleskops und der Euclid-Mission stöbern, um etwas kosmische Schönheit genießen und die eigenen Maßstäbe zu kalibrieren. Wir wünschen schöne Weihnachtstage und freuen uns mit Ihnen und dem Kursbuch auf all das, was 2024 kommt!
Sibylle Anderl, Montagsblock /253
25. Dezember 2023