Am Donnerstag startet in Dubai die COP 28, die 28. UN-Klimakonferenz. Und nicht nur angesichts der seltsamen Verwicklungen der Veranstaltungen mit der Ölindustrie mag die Vorfreude nicht sonderlich hoch sein. Auch die Einsicht, dass die Pariser Klimaziele ohnehin nicht mehr annähernd einzuhalten sind, mag man mittlerweile schon gar nicht mehr hören, auch wenn es natürlich wichtig ist, dieses aktuelle Zwischenfazit dort noch einmal detailliert präsentiert zu bekommen.
Insofern ist es wahrscheinlich eine Art verdrängender Prokrastination, dass ich mich jüngst in einer Frage festgelesen habe, die mir neulich nach einer Veranstaltung von einem Zuhörer gestellt wurde: Wie groß ist denn eigentlich der Einfluss der Sonnenaktivität auf unser Erdklima? Könnte es nicht doch sein, dass hier Mechanismen wirken, die wir gar nicht richtig verstehen? Mein erster Reflex war, zu sagen: Im Vergleich mit dem anthropogenen Einfluss auf das Klima ist derjenige der variablen Sonne völlig zu vernachlässigen — ein Reflex, der sich tatsächlich auch nach weiterer Lektüre als korrekt erwies. Allerdings, das muss ich zugeben, war mir in dem Moment der schnellen Antwort gar nicht bewusst, wie interessant die Frage tatsächlich ist. Denn es gibt eine ganze Reihe von Mechanismen, die hier relevant sind.
Der erste relevante Themenbereich ist derjenige der Bewegung der Erde um die Sonne. Denn die ändert sich auf (zugegebenermaßen recht langen) Zeiträumen. Erstens die Form der Erdbahn: Die schwankt aufgrund des Einflusses der großen Gasplaneten zwischen kreisförmig und elliptisch in Zyklen zwischen 100.000 und 413.000 Jahren. Je elliptischer die Bahn, desto langsamer bewegt sich die Erde im sonnenfernen Bereich ihrer Bahn. Wenn dann also beispielsweise Sommer auf der Nordhalbkugel herrscht, dauert der länger als auf einer kreisförmigen Bahn. Die Erdbahn ist nie sehr weit von einer Kreisform entfernt, momentan liegt ihre Exzentrizität bei 0,0167, Tendenz fallend. Der Maximalwert liegt bei 0,058, das in etwa 25.000 Jahren zu erreichende Minimum bei 0,0034 (perfekt kreisförmig läge bei 0). Aktuell heißt das: Der Sommer ist auf der Nordhalbkugel 4,5 Tage länger als der Winter. Dafür ist die Erde im Juli 3,4 Prozent weiter von der Sonne entfernt als im Januar. Der Norden empfängt daher im Sommer rund 7 Prozent weniger Sonnenstrahlung als der Süden im Sommer.
Zweiter Faktor: Die Neigung der Erdachse. Die ist bekanntlich für die Jahreszeiten verantwortlich und variiert in einem Zyklus von 41.000 Jahren zwischen Winkeln von 22.1 und 24.5 Grad. Je stärker die Neigung, desto ausgeprägter die jahreszeitlichen Schwankungen. Momentan liegen wir bei 23.4 Grad, also ziemlich genau in der Mitte des möglichen Intervalls. Die Tendenz ist fallend, in 10.000 Jahren wird die Erde also sehr milde Winter und kühle Sommer erleben.
Und drittens dreht sich die Erdachse unter dem Einfluss von Sonne auf Mond wie ein torkelnder Kreisel auf einem Kegel mit einer Periode von 25.771,5 Jahren, man nennt das Präzession. Dieser Mechanismus verstärkt oder schwächt die jahreszeitlichen Kontraste auf den verschiedenen Hemisphären. Momentan befindet sich die Erde auf ihrer sonnennächsten Position wenn auf der Südhalbkugel Sommer herrscht, in etwa 13000 Jahren wird es umgekehrt sein.
Wenn man diese drei verschiedenen Mechanismen kombiniert, kann man die langfristigen Folgen der sich ändernden Sonneneinstrahlung für das Klima abschätzen. Erstmalig hat das der serbische Wissenschaftler Milutin Milanković gemacht, der damit das Abschmelzen und den Wiederaufbau der großen Eisschilde in der Erdgeschichte und das Auftreten von Eiszeiten in Abständen von etwa 41.000 Jahren begründete. Die einfallende Sonnenstrahlung in mittleren Breiten kann sich im Rahmen der entsprechenden Milanković-Zyklen um 25 Prozent ändern. Momentan wären wir den MIlanković-Zyklen zufolge aber seit etwa 6000 Jahren in einer abkühlenden Phase. Und für die aktuelle Klimaerwärmung lassen sich die Änderungen der Bewegung der Erde um die Sonne sowieso nicht verantwortlich machen, denn die wirken auf viel längeren Zeitskalen.
Wie sieht es aber mit dem zweiten hier relevanten Themenbereich, mit der Sonnenaktivität, aus? Die magnetische Aktivität der Sonne, die sich unter anderem im Auftreten von Sonnenflecken und Strahlungsausbrüchen zeigt, variiert in Zyklen von 11 Jahren. Wenn die Sonne sehr aktiv ist, sendet sie insbesondere mehr kurzwellige Strahlung aus, über das gesamte Spektrum gerechnet beträgt die Veränderung 0,08 Prozent. UV-Strahlung heizt die Stratosphäre, und diese Energie könnte durch verschiedene Mechanismen auch in tiefer liegende Atmosphärenschichten gekoppelt werden und dort das Wetter beeinflussen. Außerdem moduliert die solare Aktivität den Fluss kosmischer Teilchen aus der Galaxie in die Erdatmosphäre: Wenn die Sonne ruhig ist und ihr Sonnenwind weniger stark, kommen mehr Teilchen an und könnten für eine stärkere Wolkenbildung sorgen (das ist allerdings nach wie vor umstritten). Hier wird noch viel geforscht, und dass die Sonnenaktivität tatsächlich so direkt auf Klima und Wetter wirkt, finde ich hochgradig faszinierend.
Ob sich hinsichtlich der Sonnenaktivität aber längerfristige Trends über den 11-Jahres-Zyklus hinaus zeigen, ist nicht so einfach zu ermitteln, weil hier verlässliche Daten fehlen, und weil es in der Aktivität der Sonne zwischen 1645 und 1715 eine seltsam ruhige Phase gab, das sogenannte Maunder-Minimum, dessen zugrunde liegende Mechanismen man noch nicht wirklich versteht. Da die “kleine Eiszeit” teilweise mit dieser Periode übereinstimmt, könnte man geneigt sein, einen Einfluss der Sonnenaktivität auf das Klima zu vermuten. Aber da es noch viele andere klimatisch relevante Einflüsse gibt, wie etwa Vulkanausbrüche, muss man Modelle nutzen, um die verschiedenen Faktoren zu differenzieren. Solche Modelle legen nahe, dass Sonnenaktivität vor 1960 zu einer Erwärmung um 0,07 Grad geführt hat, seitdem allerdings nicht mehr. In keinem dieser Modelle gelingt es, die aktuelle Temperaturzunahme auch nur annähernd allein auf Sonnenaktivität zurückzuführen. Das Fazit bleibt also: Es gibt für die derzeitige Erwärmung keinen anderen Schuldigen als uns Menschen. Und wenn wir ab der kommenden Woche die COP 28 verfolgen, müssen wir wohl leider feststellen, dass sich an dieser Rolle so schnell auch nichts ändern wird.
Sibylle Anderl, Montagsblock /249
27. November 2023