Montagsblock /230

Der Marsrover Perseverance hat organische Moleküle gefunden. Das wurde an diesem Mittwoch in der Zeitschrift “Nature” berichtet. Die Tatsache an sich ist weniger überraschend als man beim ersten Hören denken mag. Denn organische Moleküle wurden auf dem Mars schon mehrfach gefunden und haben erstmal nicht direkt etwas mit der Existenz von Leben zu tun. Man sucht nach ihnen, weil sie vermutlich entscheidende Zutaten für die Entstehung von Leben sind, aber solches Leben selbst – irgendwelche Marsmikroben – hat man bislang bekanntlich noch nicht nachweisen können.

Die aktuell veröffentlichte Studie widmet sich entsprechend ohnehin nicht der Suche nach Leben selbst, sondern dem besseren Verständnis der Verbreitung dieser komplexen Kohlenstoffmoleküle als Voraussetzung dafür. Der Marsrover Perseverance hat dafür verschiedene Analyseinstrumente dabei, mit denen er auf seinem Weg durch den Jezero-Krater, der früher einmal ein Flussdelta beherbergte, Bodenanalysen durchführen kann. 19 Kilometer hat er seit seiner Landung im Februar 2021 zurückgelegt, begleitet von seinem Helikopter-Partner Ingeniuity. Zwei von drei verschiedenen Gesteinsformationen im Jezero Krater hat er bereits besucht, dort zu untersuchende Flächen vom Marsstaub befreit und abgeschliffen, um sie dann mithilfe von UV-Strahlen zu untersuchen. Sofern die Proben organische Moleküle enthalten, sieht man das daraufhin in den Signaturen des zurückgestreuten Lichts, alternativ können die Moleküle auch selbst zur Aussendung von Licht angeregt werden.

Tatsächlich fand Perseverance in allen zehn untersuchten Proben solche Signaturen. In beiden Formationen waren sie mit Mineralen assoziiert, deren Entstehung Wasser voraussetzt, und je stärker das Gestein durch Wasser verändert worden war, desto mehr organische Moleküle scheint es dort zu geben. Die Forscher nehmen daher an, dass sie sich entweder in Wasser abgesetzt haben oder im Wasser erst gebildet wurden. Da hätte man dann also schon zwei Zutaten für die Entstehung von Leben: Wasser und komplexe Kohlenstoffchemie und damit Grund für einen gewissen Optimismus hinsichtlich der Entstehung von Leben auf dem Mars. Mutmaßlich. Denn: “Die Bestätigung des organischen Ursprungs und die spezifische Identifikation dieser Moleküle erfordert, dass Samples für eine Laboranalyse zur Erde gebracht werden”, schreiben die Wissenschaftler.

Diese Einschränkung sollte eigentlich kein Problem sein. Denn das ist sowieso die Hauptaufgabe von Perseverance: Proben sammeln und sie dann an einem geeigneten Ort hinterlegen, damit sie bald abgeholt werden können. Zur Erde gebracht, sollen sie dann in den 30er Jahren irdische Wissenschaftler erfreuen und ein für alle Mal die Frage klären, ob in der feuchten Urzeit des Mars, als unser Nachbarplanet der Erde noch sehr ähnelte, in den dort existierenden Seen und Tümpeln Mikroben entstehen konnten. 38 Proben soll der Marsrover vorbereiten, 20 hat er schon. Zehn davon hat er doppelt genommen und die Ersatzröhrchen Ende vergangenen Jahres schonmal abgelegt als Sicherheit – selbst wenn ihm und den restlichen Proben etwas passierte, könnte man diese zehn dann abholen. Für diese Rückholmission soll 2028 eine Rakete auf den Mars gebracht werden, die die Proben zu einer Sonde im Marsorbit bringen wird, mit der sie dann bis 2033 zur Erde transportiert werden. Das klingt ziemlich futuristisch und ist ein Projekt, das die NASA zusammen mit der ESA in Angriff nehmen will.

Allerdings gibt es da aktuell einige Unklarheiten. Ende vergangener Woche wurde bekannt gegeben, dass die NASA 2024 weniger Geld bekommen soll als 2023, obwohl sie deutlich mehr beantragt hatte. Einsparungen sollen offenbar vor allem das Programm zur Marsproben-Abholung (MSR: mars sample return) betreffen. Die NASA muss jetzt nachweisen, dass das MSR-Projekt trotz angekündigter Verzögerungen und Kostensteigerungen innerhalb des Rahmens der im vergangenen Jahr noch angegebenen 5,3 Milliarden Dollar bleiben wird. Sofern das nicht gelingt, soll das aktuell MSR zugestandene Geld für 2024 stattdessen größtenteils an das Artemis-Mondprogramm, also die astronautische Exploration des Mondes, umgeleitet werden.

Beim James-Webb-Teleskop, das in dieser Woche das einjährige Jubiläum seiner ersten Bildveröffentlichung feierte, war es ja ähnlich gelaufen: Das Projekt wurde immer teuer, verzögerte sich immer weiter, und stand auch einige Male vor dem Finanzierungsaus. Allerdings gab es da tatsächlich einen Unterschied: James-Webb ist ein Instrument, das für alle Astrophysiker interessant ist. Die Marsproben werden nur einen kleinen Teil der wissenschaftlichen Community beschäftigen. Ob das MSR-Projekte dem aktuellen Druck widersetzen kann, scheint daher fraglich.

Wie auch immer das Ganze ausgeht: Etwas absurd ist es, wenn man sich vor Augen führt, dass Elon Musk parallel daran arbeitet, bald die ersten Menschen auf den Mars zu schicken – und zwar ebenfalls in den frühen 30ern. Nicht nur, dass man die dann bitten könnte, die Marsproben gleich mitzubringen (und das würden dann wirklich historische Proben sein, denn sie wären die einzigen ohne menschliche Kontamination). Wenn man Musks Pläne und das MSR-Projekt nebeneinander betrachtet, wundert man sich auch, als wie unterschiedlich schwierig und aufwändig Raumfahrtprojekte aktuell eingeschätzt werden — wie viel einfacher wäre schließlich die Rückholung von Proben im Vergleich zum Landen von Menschen auf dem Mars.

Die kursierenden Probleme im Einschätzen der Einfachheit von Raumfahrtprojekten wiederum kennt man aber ja von den derzeitigen Mondmissionen. Da mühen sich derzeit verschiedene Länder, es als vierte Nation mit geglückter Mondlandung in die Geschichtsbücher zu schaffen. Nachdem im April bei dem Versuch bereits die japanische Sonde des Unternehmens ispace zerschellt war, bewirbt sich jetzt Indien ein weiteres Mal um diesen Titel. Vor dem Hintergrund, dass der Mond der Öffentlichkeit ja immer wieder als unkomplizierter Zwischenstopp zum Mars verkauft wird, zeigen diese Versuche sehr deutlich, dass der Weltraum nach wie vor nicht zu unterschätzen ist.

Man kann also nur froh sein, dass wir momentan noch mit Robotern auf dem Mars hantieren und nicht mit menschlichen Wissenschaftlern. Denn ansonsten hätte der Außenposten auf dem Mars ohne klare Perspektive auf den Nutzen seiner Arbeit jetzt vermutlich mit einer echten Motivationskrise zu kämpfen. Stattdessen wird sich Perseverance tapfer weiter durch den Jezero-Krater kämpfen, egal was mit den von ihm gesammelten Proben einst passieren wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass er dabei einen eindeutigen Nachweis möglicherweise existierender Mikroben finden wird, ist allerdings gering.

Sibylle Anderl, Montagsblock /230

17. Juli 2023