Kurz nach Neujahr
Alles wieder auf 0 – und los geht’s. Eine wilde Achterbahnfahrt steht uns 2023 bevor. Jetzt in dieser Stunde sind erste Prognosen erlaubt. Deshalb haben wir uns das kommende Jahr einmal näher angesehen: Ereignisse, Sensationen, Augenblicke und Haltepunkte. Hier in ungeordneter Reihenfolge, aber umso einschneidender.
1 – Im südpanamesischen Treib- und Harnstoffministerium kommt es zu einem kleinen Zwischenfall. Robert Habeck, der sich lächelnd mit den Worten: „Oh, wie schön ist Südpanama“ vor dem Dinner zum Diener vorbeugt, um seinen Dank für irgendeine Wasserstofflieferung im Jahre 2060 zum Ausdruck zu bringen, spürt plötzlich einen Pieks in der Lendenwirbelsäule, die ihrerseits seit Tagen mit kleinen Nadelstichen angekündigt hat, in Kürze so beleidigt zu sein, dass sie streiken und die Bandscheiben zu einer Protestkundgebung aktivieren werde, was der Minister zunächst mit Verachtung und Johannsen Rum aus Flensburg bekämpft hatte, aber jetzt, wo der südpanamesische Treib- und Harnstoffminister mitleidsvoll auf ihn, besser gesagt auf seine Bücklingshaltung blickt, ist ihm nicht mehr zum Lachen zumute. Minister Ad Blue Pirate, der auf einen lückenlosen Stammbaum von Schmugglern und Drogenhändlern zurückblicken kann, drückt Habeck unauffällig eine Pille in den Mund, als würde er einem Pferdemaul ein Zuckerstück offerieren, und spricht die auch unter südpanamesischen Dealern geflügelten Worte: „Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten.“ Habeck wiehert verzweifelt und sieht vor lauter Tigerenten keinen Janosch mehr.
2 – René Bratwurst, eine bekannte Führungsfigur unter den Reichsbürgern in Thüringen, publiziert eine neue Ausgabe seiner faschofaschierten Besinnungslyrik. Schnell beliebt sind die Zeilen: „Ich bin ein Fürst mit Poren, zum Schwitzen auserkoren. Ihr alle seid erschienen, um meinem Schweiß zu dienen.“ In einem Interview mit der Völkischen Schwitzhütte erläutert Bratwurst den tieferen Sinn des Gedichts. „Was ich sagen will? Welch Schweiß aus Poren fließt, dessen Lied ich singe. Der deutsche Schweiß? Diese einzigartige Mischung aus Buttersäurewölkchen, Drei-Tage-Brennnesselsaft und Stahlhelmduft im Schützengraben. Mit brennenden Poren deutscht es mir, über welches Land ich künftig singen will.“ Unterdessen verbreitet sich die schockierende Nachricht über Telegram, Bratwurst sei seit Monaten verschwunden. Er sei einem Wegweiser mit der Aufschrift: „Panama“ gefolgt. An einem Scheunentor angepinnt findet man sein letztes Gedicht vor dem Abhauen: „Pausbäckige Bäuerinnen balzen im Heidewind. Windige Balzbacken verbäuern die Heide mit großem Paus. Bratwurst geht. Poren zu. Schweiß vertrocknet.“ Die Reichsbürger in Thüringen sind schockiert und geben ihre Waffen ab. Das Ende des faschofaschierten Zeitalters ist eingeläutet.
3 – Heghan und Marry brauchen immer mehr Geld. Für 1000 Euro Gage umarmt Heghan in einer schwäbischen Dorfbäckerei einen riesigen Nusszopf und erläutert im darauffolgenden Exklusivinterview mit der lokalen Kreiszeitung, wie sehr sich Gebäck und Buckingham Palace ähneln. „Der Nusszopf wird, um nicht auszutrocknen, in einer Brotdose aufbewahrt. Hauptsache dunkel und nicht zu kalt. London war für meinen Mann und mich nichts anderes. Eine dunkle Brotdose, aber immer zu kalt.“ Die 86-jährige Bäckereigründerin Theresia Kaltschnauz nimmt unvermittelt einen Nusszopf aus der Ladentheke, lächelt die Fast-Prinzessin an und sagt: „Am Anfang der Menschheit kam eine große Schlange aus den Tiefen des Meeres an Land. Beim ersten Anblick eines Menschen verwandelte sie sich in einen saftigen Nusszopf. Die Menschen aßen von ihm und spürten die wohlige Wärme in ihrem Magen. Bis heute, du Flittchen.“ Bei den letzten beiden Worten hebt Ex-Prinz Marry den Kopf, nimmt einen Nusszopf in die rechte Hand und versucht ihn in Seewolf-Manier zu zerdrücken. Doch die harte Zuckerglasur bohrt sich shaktilike in seine Haut. Unterdessen stopft die alte Kaltschnauz eine frische Nusszopfscheibe in den offenen Mund von Heghan. „Rache für das Königshaus!“ schreit sie. Ein Bodyguard wirft sich auf die Kaltschnauz, was die Dorfjugend, die vor der Geschäftstür auf Autogramme wartet, unverzüglich animiert, in das Geschehen einzugreifen. Am Ende Nusszopfkruste überall. Heghan und Marry brechen am nächsten Tag ihre „Warm Welcome“-Tour in Deutschland ab. Die Panama-Tournee bleibt davon unangetastet.
4 – Claudia Roth und Karl Lauterbach verbringen den diesjährigen Sommerurlaub am Golf von Panama. Gebucht ist unter anderem ein gemeinsamer Tauchgang an einem Riff kurz vor der Küste. Langsam gleiten die beiden Körper von einem Schlauchboot ins Meer. In einer Tiefe von 30 Metern liegen die Reste eines gesunkenen Schiffes. Noch ahnt keine(r), was dort auf sie wartet. Roth sieht plötzlich an einer entlegenen Stelle des Schiffes etwas durch einen Spalt glitzern. Sie macht mit der Helmkamera einige Fotos von kleinen Silberstatuen. Über die Taucheruhr (mit W-LAN bis zu 50 Meter Tiefe) schickt sie die Bilder in ihr Berliner Staatsministerium. Als die Beid*innen wieder auftauchen, wedelt der Assistent von Roth bereits mit den Armen. „Unglaublich. Das Wappen auf den Silberstatuen. Von einem Drogenbaron um 1900, als Panama noch zu Kolumbien gehörte.“ Schnell ist die Ministerin wieder im Wasser und taucht allein zum Schatz. Mit einem kleinen Stemmeisen bricht sie eine Holzbohle auf und nimmt zwei Silberstatuen mit. Auf Deck glitzern die beiden Silberboxen im Nachmittagslicht. Lauterbach plädiert dafür, die beiden Stücke an die panamesischen Behörden zu übergeben. „Das ist Kulturgut, das wir uns nicht aneignen dürfen“, sagt er der verdutzten Kollegin. „Ich würde aber schon zu gerne wissen, wie der Dope ist,“ zwinkert sie zurück. „Ich kann das nicht gutheißen“, erwidert Lauterbach, „es wäre falsch, diese Statuen zu stehlen. Es ist zwingend, dass sie in ihrer Heimat bleiben.“ Die Roth schäumt: „Papperlapapp. Wir müssen das Zeug der Forschung zukommen lassen, um weiteres Wissen für die Cannabis-Legalisierung in Deutschland aufzubereiten.“ Die Beid*innen einigen sich, dass jede(r) eine Statue behalten darf. Lauterbach wird die Statue dem Meer und „dem panamesischen Volk“ zurückgeben. Roth wird vor feuerrotem Sonnenuntergang einen fetten Joint bauen. Die Luft flirrt, die Roth glüht, das Meer schaukelt und der Lauterbach … geht früh zu Bett. Zähneputzen nicht vergessen.
5 – Russischen Wissenschaftlern gelingt es kurz vor Weihnachten, das so genannte „Putein“ aus dem menschlichen Körper zu extrahieren. Professor Drekski und sein Team haben das Eiweiß im menschlichen Gehirn als Ablagerung gefunden. Der international renommierte Parkinson-Forscher wollte allerdings keine näheren Angaben zum Fundort machen. Es sei eine sehr signifikante Stelle, die in der Gehirnforschung bereits erforscht sei, sagte Drekski. Gerüchte haben in den letzten Jahren auch im Westen immer wieder betont, dass es ein Protein geben muss, dass die menschliche Aggressivität mitsteuere. Der Begriff des „Puteins“ stammt übrigens von der Astrophysikerin Sibylle Anderl, die schon sehr früh über diesen Forschungsgegenstand recherchiert hatte. Unterstützt vom Münchner Soziologen Armin Nassehi, der in einem Telefonat mit dem dritten Kursbuch-Herausgeber einmal den Witz machte, dass Puteine womöglich gefährlicher als Putine sind. Anyway, der Begriff scheint sich weltweit durchzusetzen. Ob in Verbindung mit dem Puteinschnitzel oder den Puteinkeulen, oder gar als Puteinrot beim russischen Autohersteller Wolga.
Peter Felixberger, Montagsblock 202
02. Januar 2023