MONTAGSBLOCK /16

Ich mag die Berlin-Mitte der Welt, weil dort eine unserer Töchter mit Mann und Enkelkind lebt und arbeitet. Ich mag Berlin-Mitte aber irgendwie auch nicht, weil dort so viele Selbstüberhöher, Aufspieler, Wichtigtuer und Kulturprotzer herumwuseln. Ihr Gschau mimt immer dasselbe: besser, wichtig, krass cool. Dabei stellen diese Bedeutungsimperialisten ihren Selbstverwirklichungspopanz oft so drastisch zur Schau, dass man von außen kommend sofort von Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsattacken gepeinigt wird. Da tut es gut und beruhigt den Antimetropolitan, dass der Bruckmaier Karl zusammen mit dem Fotografen, dem Petzi Wilfried, über die Jahre in die niederbayerische Provinz gefahren ist und sich auf die Spuren einer renitenten Alltagskunst begeben hat. Herausgekommen ist der wunderbare Text/Bildband OBI oder das Streben nach Glück, der gerade in der kursbuch.edition erschienen ist.

Die Provinz als künstlerische Gegenbewegung. Das hat Folgen. Denn wenn der Niederbayer in den Baumarkt geht, kommt er bis zu den Zähnen bewaffnet mit Werkzeug wieder heraus. Fährt heim, gräbt Vorgarten oder Vorplatz um und macht sich’s schön. Als Art brut könnte man das auch bezeichnen. Das Haarstüberl neben dem Kuhstall, das Jesuskreuz in den Parkplatz gerammt oder die Sitzecke gleich bei der Bushaltestelle. Hier herrscht eine fröhliche Renitenz. Scheiß auf das Feuilleton, scheiß auf die Kulturbourgeoisie. Der Niederbayer kümmert sich sowieso bevorzugt um sich selbst.

Womit wir nicht nur bei dieser Buchempfehlung sind, sondern bei unserem schönen Niederbayernland. Und einem Veranstaltungstipp: Am Mittwoch hat der Bruckmaier Karl einige Einheimische und Zweiheimische ins Volkstheater nach München gebeten. Ein Benefizabend für die Hochwasseropfer wird es werden. Alle Mitwirkenden verzichten natürlich auf Gage und Ruhm. Musik, Literatur, Quitsch-Quatsch. Und natürlich wird das OBI-Buch seinen Auftritt bekommen. Sogar Bilder soll es zum Kaufen geben. Und der Autor dieser Zeilen wird eine kleine niederbayerische Verwandtschaftssafari zum Vortrag bringen: „Der Niederbayer an sich“. Ob das Feuilleton kommen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Textprobe:
Der typische Dialog, wenn man sich nach dem Wohlbefinden eines anderen erkundigt: „Und?“ ­ „Scho.“ ­ „Guat.2 Das meint in etwa: „Und wie geht’s?“ ­ „Im Großen und Ganzen gut.“ ­ „Schön zu hören.“

Peter Felixberger
MONTAGSBLOCK /16, 26. September 2016