Montagsblock /115

Im vorletzten Montagsblock, Montagsblock /113, habe ich auf Untiefen in der Kommunikation von Donald Trump hingewiesen. Die These lautete, dass es unmöglich sei, dem offenkundigen Unsinn, den Trump gerne verbreitet, argumentativ zu begegnen, weil man dann wenigstens die Möglichkeit der Gültigkeit solchen Unsinns in Aussicht stellt. Ich habe gezeigt, dass argumentative Rede nur gelingen kann, wenn es wenigstens ansatzweise gemeinsame Geltungsbedingungen der Rede gibt, wenn also so etwas wie ein gemeinsamer argumentativer Raum denkbar ist, der Anschlussfähigkeit sichert. Das sei mit Trump nicht der Fall, habe ich behauptet, und daraus geschlossen, die Demokraten müssten die Preisfrage beantworten: Wie geht ein Wahlkampf mit möglichst wenig Kommunikation?

 

Zugegebenermaßen wirkt diese Frage wie eine aus allzu sicherer Distanz und mit wenig Realisierungschancen, denn Wahlkampf geht nur kommunikativ. Wie soll man einen Wahlkampf mit so wenig Kommunikation wie möglich führen?

 

Inzwischen hat der (virtuelle) Parteitag der Demokraten stattgefunden, und es wurde kommuniziert, tagelang. Was aber auffiel, war der Versuch, gar nicht auf Argumente oder Behauptungen von Trump einzugehen, wie es noch im letzten Wahlkampf der Fall war, sondern die Selektivität von Anschlussmöglichkeiten auf andere Pfade zu lenken. So wurde Trump zwar direkt angegriffen, von Michelle und Barack Obama ebenso wie von Joe Biden. Aber sie haben es vermocht, eher die Bedingung der Kommunikation zu thematisieren, die Infragestellung von Verfahren etwa oder die Bedingungen von Inkompetenz. Auf Argumente eingegangen sind sie aber nicht, was ihnen die Möglichkeit gegeben hat, Sätze von Trump möglichst sparsam zu gebrauchen. Beschwört wurde eher die Bedingung argumentativer Rede, die Spaltung der politischen Kulturen und die Übertretung selbstverständlicher Regeln. Daran anzuschließen ist viel schwieriger als auf die Negation der eigenen Argumente, die Trump dann nur hätte wiederholen müssen.

 

Unübersehbar war, wie sehr in den Reden, etwa der beiden Protagonisten Joe Biden und Kamala Harris, die biografische Herleitung der gegenwärtigen Position im Vordergrund stand – mit dem Ziel, gar nicht erst auf Argumente der Gegenseite einzugehen. Vielleicht ist das tatsächlich jene Taktik, einen Wahlkampf mit möglichst wenig Kommunikation zu führen: Wenn man unter Kommunikation den Anschlusszusammenhang von Ereignissen versteht, also das Nacheinander von Äußerungen, verweigert sich eine solche Strategie der unproduktiven Form, etwas zu widerlegen, das damit in den Bereich des Auslegungsfähigen gehoben werden würde. Zudem ermöglicht diese Strategie der demokratischen Partei, sich als Einheit darzustellen, weil sie über sich selbst nicht reden muss. Der Feind außen reicht, jener, auf den man nicht wirklich eingehen muss, denn konkrete Gegenargumente hätten womöglich auch innerhalb der demokratischen Partei eher zu Widersprüchen als Einheit geführt. Oder, wie es Paul Begala, politischer Berater der Demokraten, laut New York Times vom 20. August auf den Begriff brachte: »Nothing unites the people of Earth like a threat from Mars, and Trump is a galactic threat.« Auch das verhindert zu viel Gerede.

 

Man kann an diesem Beispiel sehen, wie voraussetzungsreich Kommunikation ist. Die Anschlussfähigkeit von Sätzen lässt sich nicht von einer Seite her steuern, weswegen ein gutes Gegenargument auch als Bestätigung gelesen werden kann. Der entscheidende Informationswert könnte dann darin bestehen, gar nicht erst so angeschlossen zu haben, wie es die Logik des Arguments voraussetzen würde.

 

Vielleicht ist das also die Strategie sparsamer Kommunikation, ohne auf Kommunikation zu verzichten. Nun steht zu hoffen, dass im Falle einer Abwahl Trumps dieser das Amt räumt – denn hier würde sich dann die Geschichte wiederholen: Befinden sich alle Parteien auf dem Boden der gleichen institutionalisierten Voraussetzungen? Die Regel sparsamer Kommunikation wird diesem Falle nicht erfolgreich sein können. Dann sähe es eher aus wie beim imaginierten Naturzustand und der Paradoxie aller Vertragstheorie: Um den Naturzustand des »Rechts des Stärkeren« zu überwinden, bedarf es eines Vertrages aller Beteiligten, der freilich die Überwindung des Naturzustandes bereits voraussetzt, sonst hätte der Vertrag keine bindende Kraft. Auch hier lernen wir, wie voraussetzungsreich Kommunikation ist und wie sehr zivilisierte Konflikte von einem Mindestmaß an Konsens abhängig sind.

 

Armin Nassehi

Montagsblock /115, 24. August 2020