Montagsblock /112

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Sommer. Urlaub. Wohin? Alles anders dieses Jahr. Ein Glück, dass ich mit der FLXX-Zeitmaschine überall hinfliegen kann. In Sekundenschnelle. Als Botschafter des Kursbuchs. Ich beschließe, einmal um die Welt zu reisen. Zu den blühendsten Narzissten der Welt. Ein schönes, ausgiebiges Frühstück mit Trump, Bolsonaro und Xi Jinping. Ganz nahe am Menschen. Ehrlich, aufrichtig, vorurteilslos, respektvoll. Endlich mal Urlaub ganz anders. Authentisch, achtsam, richtig spüren, wie es wirklich ist.

Kurzer Anruf im Weißen Haus. Arbeitsfrühstück, 30. Juli. Melania und Donald freuen sich. Ich lande sanft im Vorgarten des Weißen Hauses. Jared Kushner, der Schwiegersohn des Präsidenten, erwartet mich bereits. Donald stürzt auf die Veranda mit einer angebissenen Weißwurst in der Hand. „Hey Peter, welcome, this Weisswurscht is great.“ Eine Minute später sitze ich am Frühstückstisch. Donald erklärt mir, dass dieses wunderbare Fett aus der Weißwurst ein ideales Haargel für seine Seitenlocke sei. Er hätte alle Festiger dieser Welt ausprobiert, aber Weißwurstfett sei „a wonderful medium to my new greatness“. In der rechten Faust zerdrückt Donald in seinem Übermut plötzlich eine weitere Weißwurst. Begleitet von einem tiefen „Yeah“ spritzt das Fett kreuz und quer über den Tisch. „It’s like a fuckin‘ aerosol“, prustet Donald und Brad Parscale, sein oberster Wahlkampfmanager, beobachtet, wie fette Tropfen im Ausschnitt von Melania landen. Die ist not amused, steht auf, tritt ganz dicht an Donald heran und drückt den blonden Schädel an ihre Brust. „Lick it up“, blafft sie ihn an. Dann beruhigen sich die Gemüter aber wieder. Donald erkundigt sich bei mir, wie es mit dem Kursbuch so läuft. Perspektivendifferenz und so ein Mist seien ja nicht gerade sein Ding. Lieber gerade heraus und auf die Nuss. „People love it.“ Und wie offenbar am Ende jeden Frühstücks versenkt Donald schließlich sein Gesicht in einer riesigen Truthahnbrust und fräst sein Gebiss durch zartes Fleisch. Mit einem herzhaften „duty  is calling“ verabschiedet er sich mit triefendem Mund von mir. Ja, ich muss mich auch auf den Weg machen, zwinkere ich Melania zu und gehe zurück zur FLXX-Maschine. Kurs Brasilien.

Ich lande am Hauptgebäude einer großen Rinderfarm in der Nähe von Brasilia. Arbeitsfrühstück, 31. Juli. Der Chef persönlich stürmt aus dem Haus und begrüßt mich. Jair ist bester Laune. „Keine Sorge. Habe alles hinter mir. Covid-19 ist eh nur ein harmloser Virus. Ich hatte nur ein bisschen Sodbrennen sowie Verstopfung am dritten Tag. Ansonsten, alles nur ein großer Medienhype.“ Wir gehen ins Haus und ich nehme Platz an einer großen Tafel. In der Mitte des Tisches thront eine riesige Porzellanschüssel, aus der dünne Dampfschwaden nach oben züngeln. Ich trete näher und erkenne 20, nein mindestens 30 Weißwürste im heißen Wasserbad. „Ah“, lacht Jair, „das ist übrigens unsere Medizin gegen Corona. Die Haut ihrer bayerischen Weisswürschte vermengt mit scharf gegrillter Rindsbratwurst und einen Spritzer Cachaça.“ Jair erzählt, dass die brasilianischen Medizinlabore Tag und Nacht an der richtigen Anti-Corona-Formel geforscht hätten. Eduardo Parzuello, ein General und seit Mitte Juni Gesundheitsminister, bereitet unterdessen ein Brötchen für uns zu. Klein geschnittene Weißwurst, Salsicha Gorda aus der brasilianischen Pampa und dann reichlich Schnaps drüber. Jair und ich beißen genüsslich hinein. Dabei bemerke ich, dass Jairs rechtes Auge geschlossen ist. Ich frage ihn, was los sei. „Eine Folge von Covid-19“, brüllt er, „ab jetzt blind auf dem rechten Auge.“ Alle lachen, wahrscheinlich zu viel gesoffen am Vorabend, erzählt mir ein Sicherheitsbeamter beim Hinausgehen. Die FLXX-Maschine wartet. Kurs China.

Landung am 1. August auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking. Die FLXX-Zeitmaschine funkelt in der aufgehenden Morgensonne. Ein großer Tisch, weiße Decke, üppige Speisen, eine riesige italienische Espressomaschine. Xi Jinping winkt mich her und ich werde von einigen Soldaten zum Tisch begleitet. „Willkommen“, verneigt sich der chinesische Staatspräsident vor mir. Ich komme mit meiner Verbeugung noch gar nicht ganz runter, als eine Tänzergruppe vor uns bereits mit ihrer Aufführung beginnt. Ein wildes Gehopse und Gespringe, alle durcheinander, vordergründig keiner Choreografie folgend. Doch langsam erkenne ich den Zusammenbau einer großen gerundeten Form. Weiß, schimmernd, transparent. Immer deutlicher wird die Kontur. Eine riesige Weisswurscht, mindestens 30 Meter breit. Innen reihen sich die Menschen zu einer Kette auf und stützen mit hochgestreckten Armen die fragile Weißwurstarchitektur. Ich bin gerührt. Xi lässt seine rechte Hand auf meiner linken Schulter ruhen und lächelt. „Langsam beginnen wir, Ihre Kultur besser zu verstehen. Konfuze sagt: Weiße Wurscht schaut nicht auf sich, sondern wartet auf den schwarzen Drachen.“ Während ich noch mit dem tieferen strategemischen Sinn dieses Satzes beschäftigt bin, liegt ein Verlagsvertrag vor mir. Die chinesischen Rechte am Kursbuch. Xi will das Kursbuch, lächelt er, der Pekinger Metzgerinnung als einjähriges Freiabo schenken. Ich denke an meinen Mit-Herausgeber. Er wäre stolz auf mich. Jetzt. In der Sonne Chinas, mit einer überdimensionierten Weißwurst und einem exklusiven Verlagsvertrag vor mir. Das nächste Mal nehme ich ihn mit.

Peter Felixberger

Montagsblock /112, 13. Juli 2020