Atomkraftwerke, Flugzeugträger oder Feuerwehrmannschaften, Löschtrupps bei Busch- oder Waldbränden oder Unterhändler in Geiselnahmen müssen eine gemeinsame Anforderung erfüllen. Sie müssen unbedingt und sowieso zuverlässig funktionieren. Denn jeder Mangel an Zuverlässigkeit kann fatale Folgen haben. Und deshalb haben Wissenschaftler wie Karl E. Weick oder Kathleen Sutcliffe längst erforscht, wie Organisationen das Unerwartete managen können. Ihr Ergebnis: „Ein erfolgreiches Management des Unerwarteten ist ein achtsames Management des Unerwarteten.“ Anders ausgedrückt: Man achtet auf jede noch so kleine Nebensächlichkeit, aktualisiert ständig seine Erklärungs- und Deutungsmuster und sucht permanent nach situationsbezogener Plausibilität. Man lebt folglich eher intensiv im Augenblick statt firlefanzend in der Zukunft. Manager in Organisationen, die sich kein Restrisiko leisten dürfen, vertiefen sich mit allen fünf Sinnen in die Situation, korrigieren bei Bedarf sofort und entschlossen, so dass die Ausbreitung des Unerwarteten jederzeit eingedämmt werden kann.
Fünf Prinzipien stellen Weick und Sutcliffe auf, wenn es um das Management des Unerwarteten geht: Aufmerksamkeit eher auf Fehler als auf Erfolge richten. Vor grob vereinfachenden Interpretationen sofort zurückschrecken. Ein feines Gespür für betriebliche Abläufe entwickeln. Nach Flexibilität streben. Große Hochachtung vor fachlichem Wissen und Können pflegen, was sich unter anderem darin zeigt, dass man Entscheidungsbefugnisse zu den Experten wandern lässt. Kompetenz entscheidet!
In dieser Denkfigur sind Führungskräfte also keine Krisenmanager (sie sind längst vorher aktiv) und auch keine Finanzcontroller (Kosten sind unwichtig). Für sie ist es wichtiger, die soziale Architektur in einem Unternehmen so aufzubauen, dass die Menschen das tun können, was keine Maschine kann: aufmerksam sein, mit dem Unerwarteten rechnen und Störungen, wenn möglich, bereits im Vorfeld beheben. In diesen frühen Stadien wird bereits jedes kleine Symptom gewogen und in die Situationsanalyse punktgenau mit einbezogen.
Vorausschauendes Handeln statt spätere Krisenbewältigung. Annahmen also vorher in Zweifel ziehen, Probleme und Fehler freiwillig melden sind ebenso wichtig wie ein „Klima, in dem die Mitarbeiter Erfolg mit Argwohn betrachten, ruhigen Zeiten misstrauisch begegnen und beunruhigt auf zu viel Stabilität und Routine und zu wenig Herausforderungen und Vielfalt reagieren“.
Deshalb können Sie, lieber Montagsblock-Leser, an dieser Stelle unseren definitiven Unerwartetekrisenmanager-Check vornehmen?
- Ist es Robert Habeck, der jetzt schon konkret wird und zu Duschzeitverkürzung und Brötchenkauf am Morgen rät, sollte der Ernstfall im Winter eintreten?
- Oder ist es Herbert Diess, der alles tut, um die Weltherrschaft in der e-Automobilindustrie spätestens 2025 erreicht zu haben, auch wenn er dafür jede Menge chinesische Kreide fressen muss?
- Oder ist es Oliver Kahn, der die Sponsorenmillionen für den FC Bayern aus Katar damit rechtfertigt, gleichzeitig die Menschenrechte in kleinen Schritten verbessern zu können, wenn man nur im Gespräch mit Tamim bin Hamad Al Thani bleibt?
- Oder sind es die Herausgeber und Herausgeberin des Kursbuchs, die über jedes Thema einen breiten Perspektivenschirm spannen, der den prasselnden Regen an Gerüchten, Vermutungen, Wahrheiten und moralischen Eindeutigkeiten abperlen lässt?
- Oder ist es der Mann im Mond, der einfach nur auf den richtigen Augenblick seines Auftritts wartet?
Bitte entscheiden Sie jetzt richtig! Aus den richtigen Antworten verlosen wir etwas Unerwartetes.
Peter Felixberger, Montagsblock /179
11. Juli 2022